Rubikon

Ungefähr mit dem neunten Lebensjahr tritt ein Wandel bei den Kindern ein. Haben sie sich bis dahin als einen Teil der Welt gesehen, so empfinden sie plötzlich die Welt als etwas ihnen Gegenüberstehendes. Das Kind entfremdet sich plötzlich innerlich seiner gewohnten kindlichen Umgebung, weil es ein gewisses Ich-Erleben verspürt. Diesen Übergangspunkt der Trennung in "Ich" und "die Welt" nennt Rudolf Steiner das Überschreiten des Rubikon.

Historisch war der Rubikon Grenzfluss zwischen der römischen Provinz Gallia cisalpina und dem eigentlichen Italien, das zu klassischer römischer Zeit keine Provinz mehr war.Bekannt wurde der Rubikon durch den römischen Bürgerkrieg, den Gaius Iulius Caesar ab 49 v. Chr. gegen Gnaeus Pompeius Magnus führte. Als der Römische Senat am 7. Januar beschloss, dass Caesar sein Heer entlassen müsse, überschritt dieser am 10. Januar den Grenzfluss (mit der Bemerkung, dass die Würfel geworfen seien; bekannt in der lateinischen Fassung alea iacta estder Würfel ist geworfen/gefallen), und eroberte daraufhin ganz Italien und später Spanien. Der Hintergrund des Zitates speziell in dieser Situation bezieht sich auf die Regelung, dass jede (bewaffnete) Überquerung des Flusses in Richtung Süden eine direkte Kriegserklärung gegen Rom darstellt. Caesar war sich bewusst, dass es ab diesem Punkt kein Zurück mehr gab.

Noch heute steht der Ausdruck „den Rubikon überschreiten“ dafür, sich unwiderruflich auf eine riskante Handlung einzulassen.

So wie Caesar den Rubikon überschritt und eine Rückkehr für ihn unmöglich war, so lassen die Kinder im neunten/zehnten Lebensjahr die Kindheit und das Einssein mit der Welt unwiederbringlich zurück. Das Kind wird ernster, stiller und in sich gekehrter. Es beschäftigt sich mit Fragen nach dem Tod, nach seiner

Herkunft. Es erlebt manchmal auch das Gefühl der Einsamkeit, kann unter Umständen auch wieder Angst vor dem Alleinsein entwickeln oder sehr unruhig werden.

Näheres dazu in: H. Koepke, Das 9. Lebensjahr